Literatur
Die Biographie und die Bibliographie eines Autors zeigen nicht zwangsläufig, ob dieser schizophren ist. Meistens findet man die Zeichen in den Texten oder zwischen den Zeilen. Es gibt Schriftsteller, die unter Psychosen leiden. Heisst das also, dass sich unter diesem Begriff eine Schizophrenie verbirgt? Nicht unbedingt. Aber es kann sein …
Manche Autoren sind allerdings offiziell für schizophren erklärt worden, eine Diagnose, die zu ihrer Zeit gestellt wurde. Dies ist der Fall bei Antonin Artaud, Robert Walser, Zelda Sayre und Vaslov Nijinsky, der in seiner Autobiographie «The Diary of Vaslov Nijinsky» von seiner Erkrankung spricht. Es ist zudem bekannt, dass Gérard de Nerval (1808–1855) an einer psychischen Störung litt, mehrere Aufenthalte in einer psychiatrischen Einrichtung machen musste und oft als schizophren angesehen wird. Der Begriff existierte damals allerdings noch nicht, da erst der Zürcher Psychiater Eugen Bleuler der Erkrankung 1908 ihren Namen gab.
Entwirren Sie sich! – 20 Romane, um Irrsinn mal anders zu lesen
2013 hat sich die Büchereikette Payot Librairie mit den Tagen der Schizophrenie zusammengeschlossen, um eine neue Art des Lesens von Irrsinn anzubieten. Eine Serie von 20 Romanen wird in allen Payot-Büchereien in der Romandie verfügbar sein.
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Kino
Eine starke, atypische, aussergewöhnliche Persönlichkeit ist häufig eine der notwendigen Zutaten für eine Geschichte. Und das Kino liebt es, Geschichten zu erzählen. Daher gibt es eine beeindruckende Zahl an Werken der Filmkunst, die sich mit der Schizophrenie befassen.
Leider haben Cineasten und Publikum eine falsche Vorstellung von Schizophrenie. Sie wird oft auf zu reduzierende, von falschen Vorstellungen behaftete Weise verfilmt, als handele es sich bei ihr lediglich um eine pathologische Persönlichkeitsspaltung.
Oder aber das Gegenteil ist der Fall und der exzentrische Charakter einer Person wird zu schnell als schizophren eingestuft. Dieser kleine Tropfen Verrücktheit, der die Einzigartigkeit jedes Menschen ausmacht, wird unzählige Male als Stigma benutzt, mit dem man die dramatische oder komische Seite der Darstellung hervorheben kann. Und wieder andere treffen wie durch Magie ins Schwarze.
Aber all das ist so persönlich … Lassen Sie sich nicht die Freude nehmen, sich Ihre eigene Meinung zu bilden.
Einige Filme zeigen die Erkrankung auf genaue und poetische Weise
I’m a cyborg but that’s okay
Die im psychiatrischen Krankenhaus aufgenommene Young-Goon ist überzeugt, ein Cyborg zu sein. Sie weigert sich zu essen und lutscht stattdessen lieber an Batterien und redet mit Getränkeautomaten. Il-Soon jedoch denkt, dass Young-Goon völlig normal ist! Dank seiner Gabe, sich die Persönlichkeiten der Menschen anzueignen, die er beobachtet, ist er der einzige, der sie versteht. Er verliebt sich Hals über Kopf in sie und versucht, sie zurück in die Wirklichkeit zu holen … Ein sehr poetischer Film, der auf realistische und gut recherchierte Weise das Leben in einem psychiatrischen Krankenhaus präsentiert.
A Beautiful Mind
John Nash ist ein echter Erfinder aus den 50er Jahren, der ein revolutionäres Konzept für die moderne Wirtschaft entwickelt hat. Er beginnt heimlich für das Verteidigungsministerium zu arbeiten, das sich seiner hochgepriesenen Talente als Entzifferungsexperte bedienen möchte. Leider wird seine Mission zur Obsession und Nash verfällt in eine paranoide Schizophrenie. Ein neuer Kampf unglaublichen Ausmasses steht ihm bevor …
Der Film erhielt 2002 vier Oscars.
Shine
Die Geschichte von Shine basiert auf dem Leben von David Helfgott, einem ausserordentlich begabten australischen Pianisten. Seine schweren psychischen Störungen halten ihn fast zehn Jahre lang von der Bühne fern. 1984 jedoch gelingt ihm ein triumphales Comeback, das seine Karriere wieder ins Rollen bringt. Ein wunderschöner Film, der deutlich den Einfluss von Stress auf das Auftreten der Symptome zeigt.
Die Liste der Auszeichnung, die dieser Film erhalten hat, ist lang: 9 australische Filmpreise, Öffentlichkeitspreis beim Sundance-Filmfestival, Filmkritikerpreis beim Toronto International Film Festival, Oscar für den besten Schauspieler für Geoffrey Rush …
Spider
Spider ist die Geschichte eines kleinen Jungen, dem seine Mutter diesen Spitznamen gegeben hat, da sein Geist Stück für Stück von einer Spinne eingenommen wird, der Spinne des Irrsinns. Jeden Nachmittag, den Mutter und Sohn gemeinsam verbringen, sprechen sie unaufhörlich über die Welt der Spinnen. Schon als kleines Mädchen war Frau Cleg von den silbernen Netzen der Spinne fasziniert, die austrocknet und stirbt, wenn sie keine Seide mehr in sich trägt. Spider spinnt so sein Netz in Richtung des Unausweichlichen: dem Verlust seiner geistigen Gesundheit.
«Spider ist ein Film über Psychosen und den Wiederaufbau der Wirklichkeit oder besser den Prozess des Aufbaus der Realität.», so Cronenberg.
Einige sehr bekannte Filme, deren künstlerischen Wert wir nicht bewerten, zeigen ein verstümmeltes Bild der Erkrankung
Gothika
Die als schizophren bezeichnete Heldin wird verteufelt und ist gewalttätig.
Me, Myself and Irene
Dieser Film wurde von mehr als 50 Vereinen und Einrichtungen in den USA, in Kanada und in Australien verurteilt. Drei Aspekte werden an den Pranger gestellt: Schizophrenie ist keine multiple Persönlichkeitsstörung, die Krankheit hat keinen Zusammenhang mit gewalttätigem Verhalten und ihre Symptome und Behandlungen sollten nicht als Witz dargestellt werden. Diese Mobilisierung hat unter anderem dazu geführt, dass das Filmplakat, die Beschreibung und der Untertitel verändert wurden.
Fight Club
Ein klares Beispiel einer gespaltenen Persönlichkeit, verbunden mit gewalttätigem Verhalten … Dies ist, wie man wiederholen muss, absolut keine Charakteristik der Schizophrenie!
Einer flog über das Kuckucksnest
Auch wenn dieser Film vom Publikum sehr geschätzt wird, so zeigt er doch eine sehr stereotype und von der Realität weit entfernte Darstellung des Lebens in einer psychiatrischen Einrichtung. Der Film zeigt vor allem eine sadistische Oberschwester, die Elektroschocks und Lobotomien als Strafe einsetzt. Solche Grausamkeiten Behandlungsmethoden haben in einer seriösen psychiatrischen Einrichtung nichts zu suchen.
Musik
Schizo, Schizophrenic, Schizophrène, Schizophonie, Schizophonic … wie Geri Halliwell, The Wildhearts, Us3, Kamini oder Nolwenn Leroy, gibt es viele Künstler, die in den Titeln ihrer Alben und Lieder mit dem Begriff «Schizophrenie» herumgespielt haben. Manche trauten sich sogar, schlechte Wortspiele einzubauen, wie Ian Hunter in seinem Album «You’re Never Alone With a Schizophrenic» (Rock, 1979). Das bedeutet jedoch keinesfalls, dass die Krankheit in ihrer Musik auch wirklich – egal ob auf seriöse oder unseriöse Weise – thematisiert wird.
Dabei sind viele Musiker persönlich von der Krankheit betroffen. Sie kommen aus den verschiedensten Musikrichtungen: Klassik, Jazz, Pop-Rock …
In der modernen Musik gibt es einige bekannte Namen:
- Syd Barrett (rock, Pink Floyd)
- Buddy Bolden («der Erfinder» des jazz)
- Tom Harrell (jazztrompeter)
- Daniel Johnston (rock, lo-fi)
- Thelonious Monk (jazz)
- Brian Wilson (pop, The Beach Boys)
Syd Barrett (1946-2006, Rock)
Syd Barrett (1946–2006), ein englischer Musiker, der mit bürgerlichem Namen Roger Keith Barrett hiess, ist Gründungsmitglied der sagenumwobenen Gruppe Pink Floyd. Er komponierte die zwei ersten Singles der Gruppe auf dem ersten Album «Piper At The Gates of Dawn» (1967), mit dem sie eine neue Art des progressiven Rocks einführten und in die Pop-Musik übergingen, während er zugleich Sänger, Gitarrist und offizieller Komponist von Pink Floyd war.
Als zentrale Figur der Pop-Power-Generation hat er so vielfältige Künstler wie David Bowie, Paul McCartney, Pete Townsend, Jimmy Page, Brian Eno oder R.E.M. inspiriert. Von reichhaltigen und komplexen melodischen Atmosphären bis zu paradoxerweise simplen Melodien erzeugt er eingängige Stücke mit grossem Wiedererkennungswert, die sich in der Welt des Rocks ihren Platz sichern konnten.
Leider kostete ihn das LSD schnell seine geistige Gesundheit. Nach drei Jahren der Zusammenarbeit führte sein durch Drogen und Schizophrenie instabiles Verhalten zu seinem Ausschluss aus der Gruppe, zu deren grossem Bedauern. Er lebte danach für etwa dreissig Jahre zurückgezogen bei seiner Mutter in der Vorstadt von Cambridge, wo er 2006 starb.
Auch wenn seine geistige Störung nicht zur Debatte steht, so wurde doch viel über die Diagnose von Schizophrenie gesprochen, da einige seiner Charakterzüge auch auf Asperger hinweisen, eine Art von Autismus.
Charles Buddy Bolden (1877-1931, Ragtime/Jazz)
Der 1877 in New Orleans geborene Charles Bolden ist ein afro-amerikanischer Kornettist (Trompeter) mit dem Spitznamen «King of Cornet», der als Erfinder des Jazz angesehen wird.
1895 gründete er mit einigen Musikern die Bolden Band, die moderne Stilrichtungen spielt: Walzer, Mazurka, Blues, Rag usw. Er trennt sich dann jedoch vom Rahmen der bekannten Musikstile, um seinen eigenen revolutionären und originellen Stil zu entwickeln. Durch eine Fusion von Ragtime, ländlichem Blues, Negro-Spirituals und Marschmusik kreierte er eine sehr lockere und für Improvisation offene Art von Ragtime. Indem er die Blechblasinstrumente in den Vordergrund stellte, befreite er die Musik von Stilen und Partitionen … Bolden erfand, was später als «Jazz» bekannt sein würde.
Laut einer Studie der psychiatrischen Abteilung der Universität Sheffield liegt es an seiner Schizophrenieerkrankung, dass er die Partitionen nicht richtig lesen kann, was ihn dazu anregte, sich von diesen zu befreien, um besser improvisieren zu können. Der «Nouvel Observateur» schliesst daraus, dass «die Momente purer musikalischer Demenz» die Basis des heutigen Jazz sind: Der Musiker habe sich in die Improvisation von langen und beeindruckenden Stücken gestürzt, um die Unterhaltung sicherzustellen und sein Publikum zufriedenzustellen.
1907 verschlechterte sich der Geisteszustand von Buddy Bolden jedoch. Zusätzlich zu seinen Alkoholproblemen kamen starke Migränen und unzusammenhängendes oder gar gewalttätiges Verhalten. Er wurde als schizophren diagnostiziert und in eine spezialisierte Einrichtung in Jackson (Mississippi) aufgenommen, aus dem er nicht mehr entlassen wurde. Er starb 1931.
Tom Harrell (1946, Trompeter, Post Bop-Jazz)
Tom Harrell lernte mit 8 Jahren Trompete zu spielen und begann mit 13 Jahren, professionell zu spielen. Nachdem er lange Zeit in der inneren Festung der Schizophrenie festsass, fand er in der Musik die einzige Möglichkeit, seine Emotionen durch reiche, elegante und lyrische Kompositionen preiszugeben … Tom Harrell wird als einer der kreativsten und unnachgiebigsten Instrumentalisten der heutigen Zeit beschrieben.
tomharrell.com
www.concerts.fr/Biographie/tom-harrell
Daniel Johnston (1961, Rock)
Der 1961 geborene Daniel Johnston ist ein amerikanischer Maler, Sänger, Pianist und Gitarrist, der der Pop-, Folk- und Rockmusik im Genre Lo-Fi angehört. Seine Arbeiten zeigen, wie seine Welt und sein Leben durch die geistige Störung durcheinandergeworfen wurden. Sein atypischer Lebensweg, seine atypische Persönlichkeit und seine atypischen Alben geben ihm einen leicht mystischen Sonderstatus bei Hörern und Kritikern. In den 90er Jahren wurde er als schizophren diagnostiziert.
2006 widmete Jeff Feuerzeig ihm einen wundervollen Dokumentarfilm: «The Devil and Daniel Johnston». Die Zusammenarbeit mit dem Künstler und dessen Einfluss auf die grossen Rockstars (Kurt Cobain, Wilco, Yo La Tengo, Beck, Sonic Youth, Mercury Rev usw.) wurden darin deutlich.
Folgen Sie den Abenteuern von Daniel Johnston auf seiner offiziellen Seite.
Thelonious Monk (1917-1982, Jazz)
Der afro-amerikanische Jazzpianist Thelonious Monk ist bekannt für seinen einzigartigen Improvisationsstil sowie das Verfassen einer Vielzahl von Standards aus dem Jazzrepertoire und wird häufig als einer der Begründer des Bebop angesehen. Monk litt sein ganzes Leben lang an einer Art von Autismus, die die Psychiater als eine «unbekannte Schizophrenie» bezeichneten. Er erlebte mehrere Krisen (Boston 1959, San Francisco 1969) bis zu seinem endgültigen Schweigen von 1976 bis 1982, als es schien, als hätte er alles gesagt und warte nun auf den Tod.
http://www.cairn.info/revue-l-homme-2001-2-page-139.htm
Brian Wilson (1942, Pop)
Brian Wilson, ein talentierter Autor und Komponist und Gründungsmitglied der Gruppe The Beach Boys, wird als patriotischer und sympathischer Jugendlicher dargestellt. Es zeigte sich jedoch, dass er eine komplexe, verängstigte, zweifelnde und melancholische Persönlichkeit hat.
Anfang der 60er Jahre komponierte Wilson die ersten Lieder der Gruppe: «Surfin’ U.S.A» oder «I get around». Nach dem Album «Pet Sound» (1966), das noch heute oft als das beste Popalbum aller Zeiten gilt, setzte sich Wilson in den Kopf, eine «jugendliche Symphonie an Gott» zu komponieren, das Projekt zum Album «Smile». Aus diesem Projekt gingen wundervolle Werke wie «Good Vibrations» hervor. Die Aufnahmen wurden durch Wilsons paranoide Auswüchse und Krisen zur Qual (er zündete im Studio ein Feuer im Papierkorb an und zwang die mit Feuerwehrhelmen bekleideten Bandmitglieder den Rauch einzuatmen … all das für das Lied «Fire». Das Projekt wurde schliesslich abgebrochen. Der Musiker durchlebte daraufhin eine lange depressive Phase, während der er kaum sein Zimmer verliess und sich nicht mehr wusch. Auch wenn die Krankheit seinen Absturz erklärt, so hat sein erheblicher Drogenkonsum sicher auch dazu beigetragen. In den 80er Jahren brachte er langsam sein Leben wieder in geregelte Bahnen und in den 90er Jahren schien es als sei es Wilson gelungen, sein Gefühlsleben und seinen Geisteszustand zu stabilisieren. Das Album «Smile» wurde 2004 endlich veröffentlicht.